Eine Unterstützung für Kopper oder ein Hirngespinst?

Wie kam ich dazu, gerade über diese Stereotypie eine Arbeit zu starten?

In der Fallserie, in der ich die Erfahrungen von mindestens 20 Pferden niederschreibe, möchte ich die folgende Frage beantworten:

Kann durch die Methode der angewandten Zoopharmakognosie die Häufigkeit des koppenden Verhaltens reduziert werden?

Und dies schon vorweg genommen: Nein, eine Stereotypie kann nicht einfach so verschwinden. Zu schön wärs.

Aber nun, wie komme ich dazu, das es trotzdem sinnvoll ist, dieses System auszuprobieren?

Koppen - eine Stereotypie

Eine Stereotypie ist eine sich wiederholende, relativ unveränderliches Verhaltensmuster, bei dem keine ultimate oder proximate Ursache/Funktion erkennbar ist.

Neurobiologisch ist es ein selbststimulierendes und süchtig machendes Verhalten, bei welchem die Basalganglien, das Belohnungssystem und besonders Dopamin eine grosse Rolle spielt.

Mit der Zeit bleibt das Verhalten bestehen, auch wenn der ursprüngliche Reiz nicht mehr vorhanden ist.

Etabliertes Koppen muss somit keine Auskunft über die aktuellen Umweltbedingungen wie Stress-Bewältigung oder Fütterung sein, sondern kann zur Gewohnheit geworden sein!

Bis heute gibt es einige Hypothesen, woher das Koppen kommt und warum. Und die momentanen Lösungen sind:

  • Fütterungsumstellung, Haltungsformwechsel (nicht-invasiver Eingriff)

  • Invasive Eingriffe durch Kopperriemen, medikamentös und operativ

  • Einvironmental Enrichment / Stress-Umgang / Absetzten

Die Besitzer stehen vielfach von aussen unter Druck wegen hartnäckige Mythen (wenn dein Pferd koppt, dann ist es schlecht gehalten; Koppen überträgt sich auf die anderen Pferde, usw.).

Wie ich dazu kam?

Eines der ersten Pferde, bei denen ich war, war ein Kopper. Der Besitzer erwähnte dies beiläufig, da ich besonders wegen der Unruhe vom  12-jähirgen Wallach in seiner Box vorbeikam. Das Pferd koppte besonders wenn es gestresst war und zwischen den Essen.

Die Hauptmittel waren Rosenhydrolat (besser Anfangs Sitzung) und Orangenblütenhydrolat (besser Ende Sitzung), Pfefferminze, Karottensamen, Jasmin und Wintergrün (nur übers inhalieren).

Wir führte eine Sitzung durch und ganz am Ende bemerkte der Besitzer erstaunt, dass das Pferd nur ganz am Anfang und einmal während der Sitzung gekoppt hat, sonst nicht. Dies wäre sehr wenig für ihn.

Der Besitzer arbeitete mit Rosen- und Orangenblütenhydrolat weiter (u.a. an die Stalltüren gesprayt), worauf hin sich das Kopp-Verhalten weiter reduzierte.

Er ist viel entspannter beim Reiten, läuft jetzt auch wieder durch alle Ecken durch. Sobald er in der Box anfängt unruhig zu werden, tu ich das Hydrolat an die Wand sprayen. Dann fängt er meistens an zu fressen ohne zu koppen. Das finde ich schon sehr gut.
— Rückmeldung Besitzer 2 Wochen nach der Sitzung

Danach lernte ich noch zwei weitere Pferde kennen, bei dennen sich das Kopp-Verhalten reduzierte durch die angewandte Zoopharmakognosie.

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So fing ich an Studien übers Koppen zu lesen und zusammenzutragen. Und startete diese Fallserie wegen folgenden Schlussfolgerungen und Ansätzen:

5 Ansätze der angewandten Zoopharmakognosie

Warum die angewandte Zoopharmakognosie koppenden Pferden eine Unterstützung sein kann

Weil sie in den folgenden Bereichen das Pferd unterstützen kann.

Egal, wo der Grund liegt. Das Pferd wird das aussuchen, was ihm in diesem Moment hilft.

  1. Ansatz: Der individuelle Umgang mit Stress

    Mehrere Studien zeigen, das Kopper, die abgehalten werden, zu koppen, erhöhte Stresswerte zeigen. Mit Kopp-Möglichkeiten haben Kopper eine niedrigere Herzfrequenz und einen niedrigeren Kortisol-Wert im Plasma. Ist Koppen eine Bewältigungsstrategie von einigen Pferden, um besser mit Stress umgehen zu können?

  2. Ansatz: Gastrointestinal Trakt - v.a. Magen

    Einige Hypothesen verfolgen den Ansatz von einem übersäuerte Magen und Magenentzündungen, welche Kopper gehäuft haben. Ebenfalls die Fütterung (v.a. zu energiereiches wie strukturarmes Futter, längere Hungerperioden). In einer Studie wurde einen Selenmangel bei Kopper festgestellt.

  3. Ansatz: Schlaf

    Spannend fand ich zudem die Studien über das Schlafverhalten von stereotypen Pferden. So wurde zum Beispiel festgestellt, das die Liegedauer halb so lange war und sie längere Leicht-Schlaf-Anteile bei gleichzeitig kürzerem Tief-schlaf Anteil hatten. Nach einer aktiven Kopp-Phase war die anschliessende Leichtschlaf-, Tiefschlaf und REM Phase verkürzt.

  4. Ansatz: Absetzen der Fohlen

    Eine Studie zeigte, das 85% der Pferde die Stereotypie bereits vor dem 6. Lebensjahr etabliert hatte.

    Eine weitere Studie zeigte der Beginn des Verhaltens schon ab der 20. Lebenswoche. Hier wird besonders das Absetzen des Fohlens als Grund genannt – wegen dem erheblichen Stress, der Futterumstellung (abrupte Umstellung Milch -> Raufutter), das Integrieren in eine fremde Jungtiergruppe und der dadurch vermehrten Reizung der Magenschleimhaut (mehr in der Fallserie „Absetzten des Fohlens“).

  5. Schmerzen - Verspannungen Kiefergelenk

    Ein weitere Ansatz sind Blockaden der Kiefer- und Zungenbeingelenkes/ verspannte Kaumuskel. Dies müsste in Zusammenhang zum Beispiel mit einem Osteopathen angeschaut werden.

    Gähnen - aus der Chasmologie

    Eine Studie kam zum Schluss, dass Pferde, welche eine Stereotypie ausführen wie Koppen, ebenso signifikant mehr gähnten als Pferde, die keine Stereotypie ausführten. (Fureix, Gorecka-Bruzda, Gautier, & Hausberger, 2011)

    Warum ein Pferd gähnt, hat viele mögliche Ursprünge und sollte im entsprechenden Kontext betrachtet werden. z.B. Soziale, Stress/ Anspannung, Entspannung, Schmerzen, Gehirntemperatur senken, Müdigkeit.

    In Anbetracht einer Kiefergelenk-Blockade und wenn die Pferde nur “halb” Gähnen können, ist dieser Aspekt ebenfalls spannend.

Hinweis: Die angewandte Zoopharmakognosie ersetzt keinen Tierarzt oder eine Behandlung von einem Tierarzt.

Vorteil der angewandten Zoopharmakognosie / IMIM Methode ist, dass das Pferd die Möglichkeit hat, selber auszusuchen, was es in diesem Moment benötigt.

Ob dies nun auf körperlicher Ebene (Magen, Verdauung, Schmerzen) oder psychischer Ebene (Endorphine, Selbstbelohnung, Ängste, Stress) beruht.

Durch das detailierte Notieren der Pferde und ihren Erfahrungen, hoffe ich, für einige Pferde und ihren Besitzern eine Unterstützung sein zu können.

Falls du Interesse hast, lese hier mehr darüber.

  • Hier einige Studien, die in der Fallserie beschrieben werden:

    Freymond, S. B. (2018). Characterising stereotypies in horses: physiology, personality, learning abilities and ontogeny. Switzerland: The Faculty of Sciences, Institute of Biology University of Neuchatel.

    Fureix, C., Gorecka-Bruzda, A., Gautier, E., & Hausberger, M. (2011). Cooccurrence of Yawning and Stereotypic Behaviour in Horses (Equus caballus). Polen, Frankreich: ISRN Zoology.

    Schedlbauer, M. (2021). Webbasierte Datenerhebung und elektroenzephalographische Messungen bei Pferden mit Verhaltensauffälligkeiten. München: Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München.

    Toewe, B. H. (2013). Ursachen und Funktionen von Koppen bei Pferden und Möglichkeiten und Grenzen der Prävention und Therapie. Fachbereich Veterinärmedizin der Justus-Liebig-Universität Giessen: Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Grades eines Dr. med. vet .

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